Film Daten

Titel:
Ken Park
Originaltitel:
Ken Park
Land & Jahr:
USA / Niederlande / Frankreich 2002
Laufzeit ca.: ?
94 Min.
Regie:
Larry Clark
Edward Lachman
Darsteller:
Adam Chubbuck
James Bullard
Zara McDowell
Maeve Quinlan
Stephen Jasso
Wade Williams
Tiffany Limos
Julio Oscar Mechoso
James Ransone
Patricia Place
Amanda Plummer
Mike Apaletegui
Harrison Young
Weitere Infos:
IMDB  OFDB

DVD Daten

DVD Cover - Legend Films
Label:
Legend Films
Regionalcode / Norm:
2 / PAL
Bild / Zeit:
1.85:1 (anamorph) / 92:17
Sprachen/Ton:
Deutsch - DD 5.1
Englisch - DD 5.1
Untertitel:
Deutsch, Englisch
Extras:
  • 2 Interviews mit Larry Clark
  • 2 Interviews mit Ed Lachman
  • 2 Interviews mit Tiffany Limos
  • Trailer
  • 24-seitiges Booklet mit einem Essay von Sascha Westphal

Ken Park

(Ein Review von Carsten Henkelmann)

Die kalifornische Kleinstadt Visalia: die Kids Shawn (James Bullard), Claude (Stephen Jasso), Peaches (Tiffany Limos) und Tate (James Ransone) haben einige Probleme mit ihren Eltern bzw. Großeltern. Kaum einer ihrer Verwandten versteht sie oder versucht sie zu verstehen. Während bei Shawn die Beziehung zu seiner Mutter nur angespannt ist, hat Claude unter seinem dominaten und alkoholsüchtigen Vater zu leiden, seine hochschwangere Mutter ist ihm keine Hilfe. Peaches Vater leidet auch nach Jahren noch unter dem Tod seiner geliebten Frau und erzieht seine ihr immer ähnlicher werdende Tochter streng christlich. Tate fühlt sich ständig von seinen Großeltern hintergangen und in seiner Privatsphäre gestört, was sich schließlich in einem brutalen Akt entlädt...

Ken Park - ScreenshotKen Park - Screenshot

Regisseur Larry Clark gilt als sowas wie ein Skandalregisseur. Schon mit seinem 1995 entstandenen Debüt Kids wurde man auf ihn aufmerksam, zeigte es doch die ungewohnte Darstellung von Kindern und Jugendlichen, die sexuell aktiv sind, vom HIV-Virus infiziert werden und sich auch in der Sprache nicht gerade sauber ausdrücken. 1998 folgte Another Day in Paradise und 2001 Bully. Alle Filme haben gemeinsam, das sie sich um einen Kern von bestimmten Personen drehen, deren Leben langsam aber konstant den Bach runter geht. Ein weiteres Merkmal sind die zumeist sehr natürlichen und realistischen Darstellungen der Schauspieler und ihrer Umgebung, Hochglanzoptik sucht man in diesen Filmen vergebens. Ken Park ist da nicht viel anders. Es beginnt mit dem öffentlichen Selbstmord des titelgebenden Charakters und endet auch mit ihm. Auch wenn man fast nichts über ihn erfährt, so ist doch am Ende klar, was ihn soweit getrieben hat, denn sein Leben spiegelt sich in dem der anderen Hauptfiguren wieder: Shawn, Claude, Peaches und Tate. Die Jungs fahren in ihrer Freizeit Skateboard, alle zusammen suchen sexuelle Abenteuer, die Beziehung zu ihren Eltern ist alles andere als gut.

Was diesen Film kennzeichnet ist seine moralische Neutralität. Ken Park verurteilt nicht, hebt nicht den moralischen Zeigefinger und gibt keine Entschuldigung für gewisse Taten. Vielmehr ist es einfach eine Momentaufnahme in dem Leben der vier Jugendlichen, es werden auch nur wenige Tage beleuchtet. Es gibt keinen richtigen Anfang und kein richtiges Ende, sondern der Film beginnt einfach zu einem bestimmten Zeitpunkt und hört an einem bestimmten Zeitpunkt auf. Ähnliches gab es z.B. schon in Robert Altmans vielschichtigem Short Cuts, der auch nur eine Darstellung von einigen wenigen Tagen in dem Leben mehrerer Menschen in Los Angeles darstellt, deren Schicksale aber irgendwie miteinander verknüpft war. War es dort ein Überflug von Hubschraubern über die Stadt und ein Erdbeben, die sozusagen als Buchstützen für die Handlung dienten, so ist es in Ken Park eben jener Charakter gleichen Namens, der sonst im ganzen restlichen Film nicht mehr erscheint.

Ken Park - ScreenshotKen Park - Screenshot

Kernpunkt der einzelnen Schicksale ist die Entfremdung untereinander, vor allem von einer Generation zur nächsten. Shawns Mutter hat kein Problem damit, ihm von seinem jüngeren Bruder auszurichten, dass er "ihn mal kann". Trotzdem ist Shawn noch der relativ normalste von den vieren. Seine Flucht aus dem Elternhaus gestaltet sich so, dass er nicht nur skatet und eine Freundin hat, sondern auch mit ihrer hübschen Mutter (Maeve Quinlan) schläft, die ihrerseits in ihrer Ehe nicht mehr ganz so glücklich erscheint. Claude hat da schon ganz andere Probleme. Sein Vater sagt ihm direkt ins Gesicht, dass er sich für ihn schämen würde, er hält ihn für ein Weichei, seine Freunde für heruntergekommenes Pack und zerstört sein Skateboard. Dies sind die frustrierten Entladungen eines Mannes, der sich von niemanden geliebt fühlt und sich aufgrund der Schwangerschaft seiner Frau schon seit längerem sexuell zurückhalten muss.

Im Haushalt von Peaches hingegen herrschen eher gegenteilige Verhältnisse. Durch den Tod seiner Frau hat sich ihr Vater in die Religion geflüchtet und erzieht sein Kind dementsprechend. Sie liebt ihren Vater zwar, wünscht sich aber etwas mehr Freiheit und eigene Entwicklung, was von ihm unterdrückt wird, wenn auch nicht bewußt. Als er sie dabei erwischt, wie sie mit einem Jungen schläft, ist dies für ihn wie eine Zerstörung eines Heiligenbildes, was sich in einem für ihn ungewohnten Akt der Gewalt entlädt. Psychisch völlig instabil ist dagegen Tate, der keine Eltern mehr hat, sondern bei seinen Großeltern lebt. Deren Fürsorge mißinterpretiert er als Angriff auf seine Privatsphäre, vermutet hinter ihren Handlungen nur böswillige Absichten und reagiert dadurch ihnen gegenüber aggressiv und ablehnend.

Ken Park - ScreenshotKen Park - Screenshot

Somit gibt es quasi zwei Schichten von Personen in diesem Film. Die ältere Generation, die Eltern bzw. Großeltern, und ihre Nachkommen, Kinder bzw. Enkel, der Fokus liegt aber eindeutig auf der letzten Gruppe. Die Älteren haben keinen wirklichen Bezug zu ihren Kindern, verstehen sie und ihre Welt nicht, können aber auch keinen vernünftigen Dialog mit ihnen führen, da das Verständnis zu und für die jüngere Generation fehlt.

Ins Gerede gekommen war der Film aber leider nicht unbedingt wegen der Probleme der Jugendlichen Personen, sondern ist konservativen Filmgängern und -kritikern eher negativ aufgefallen wegen seiner offenen Art Sexualakte darzustellen. Man sieht wie Tate onaniert, wie Peaches, Claude und Shawn eine Dreiernummer schieben, die Mutter von Shawns Freundin räkelt sich in aller Freizügigkeit auf dem Bett, während er sie oral befriedigt und außerdem uriniert Claudes Vater bei laufender Kamera. Das deutliche Aufnehmen solcher Szenen außerhalb des Porno-Bereichs ist im Endeffekt ein alter Hut, bereits 1976 zeigte das japanische Drama Ai no corrida (Im Reich der Sinne) Hardcore-Szenen, zuletzt machte vor allem der französische Thriller Baise-moi - Fick mich! (Fick mich) von sich reden, der mit seinen Hardcore-Szenen knapp an der Grenze zum reinen Porno schritt und auch Darstellerinnen aus diesem Bereich einsetzte.

Ken Park - ScreenshotKen Park - Screenshot

Ist diese Darstellung in Ken Park unbedingt notwendig? Nun, darüber läßt sich sicherlich streiten und manche dieser Szenen machen auch nicht unbedingt einen narrativen Sinn (wie z.B. die mit Claudes Vater auf der Toilette). Im Falle von Tate zeigt es, wie gestört sein Charakter ist, seine Art sich selbst zu befriedigen ist sicherlich nicht alltäglich. Der Sex ist für die Beteiligten ein Weg ihren Problemen zu entfliehen, eine Art Ventil. Der Sex wird auch nicht so dargestellt, dass es als pornographisch oder in irgendeiner Weise anregend verstanden werden könnte, sondern wird einfach als das dargestellt was es ist: ein Teil des Lebens.

Ken Park bleibt sicherlich ein Geschmacksspalter. Wer sich allzusehr von den Sexszenen ablenken läßt, bzw. sein nicht-Gefallen nur an diesen Szenen festmacht, hat den Kern der Geschichte komplett verpasst. Larry Clark stell das destruktive Bild einer Generation dar, die gerade dort keinen Halt findet, wo es am dringensten benötigt wird: in der Familie. Dank seinem Co-Regisseur Ed Lachman kann der Film auch auf technischer Ebene durch schöne Kamerafahrten und Einstellungen überzeugen. Lachman war unter anderem bei Filmen wie "The Virgin Suicides" und "Erin Brockovich" als Kameramann tätig. Auch wenn es sich um einen eher ruhigen Film handelt, so wirkt er doch zu keiner Zeit in irgendeiner Form langweilig. Zugegeben, "Ken Park" ist ein Film, den man erstmal ein wenig sacken lassen muss, manches kleine Detail erschließt sich auch vielleicht erst beim zweiten Anschauen. Aber man kann ihm keinesfalls vorwerfen, dass er schlecht inszeniert sei oder sich plakativer Mittel bemächtigt, auch wenn viele Kritiker ihm dieses behaupten.

Ken Park - ScreenshotKen Park - Screenshot

Die Filmographie von Larry Clark ist noch relativ übersichtlich. Neben Kids, Another Day in Paradise und Bully hat er noch die TV-Produktion Teenage Caveman gedreht, in der auch schon Stephen Jasso mitspielte und der so auch für Ken Park in Erwägung gezogen wurde. Bevor er aber als Regisseur anfing, hatte Clark sich bereits als Fotograf einen Namen gemacht und diverse Fotobände in den USA herausgebracht. Ken Park sollte ursprünglich sein erster Film werden, das Drehbuch entstand bereits 10 Jahre zuvor, aber aus finanziellen Gründen konnte das nicht verwirklicht werden. Er persönlich sieht Ken Park auch als eine Art Begleitfilm zu Kids, der nur die Welt der jungen Menschen alleine darstellte, während in Ken Park auch die unmittelbare familiäre Umgebung gezeigt wird. Die meisten der jungen Schauspieler haben zuvor noch nie vor einer Kamera gestanden, bis eben auf Stephen Jasso und James Ransone.

Nur in den Rollen der Erwachsenen wurde erfahrene Darsteller engagiert. So kennt man Maeve Quinlan evtl. aus den TV-Serien General Hospital oder The Bold and the Beautiful (Reich und Schön) oder aus der Komödie Totally Blonde (Total blond). Wade Williams war unter anderem in Candyman: Day of the Dead (Candyman 3 - Der Tag der Toten) zu sehen und hatte kleine Nebenrollen in den Hollywood-Streifen Erin brokovich und Collateral. Als Claudes Mutter ist Amanda Plummer zu sehen, die man als Honey Bunny/Yolanda sicherlich aus Pulp Fiction kennt.

Ken Park - ScreenshotKen Park - Screenshot

Ken Park wurde von Legend Home Entertainment in der Reihe "KinoKontrovers" veröffentlicht (Nummer 5 aus der Reihe). Das Bild hat durch die natürlich-realistische und halbdokumentarische Drehweise des Films von Natur aus seine kleinen Probleme. Hier wäre zunächst der insgesamt leicht softe Look zu nennen, so richtig scharf wird es meistens nur in Großaufnahmen. Außerdem erscheint der Kontrast eine Spur zu steil, helle Flächen neigen hier zum überstrahlen. Dafür sind die Farben richtig kräftig, wobei von Larry Clark und Ed Lachman bewußte knallige Farben wie rot und grün kaum eingesetzt wurden und der Film häufig eine gelb-braune Tönung aufweist. Etwas unangenehm ist allerdings das Authoring des Bildes ausgefallen. Zwar wird dies den meisten nicht auffallen, aber in zwei Szenen sind extrem starke Kompressionsblöcke zu sehen. Laut eigenen Angaben läßt Legend die DVD bereits neu mastern, die dann auch direkt beim Label umgetauscht werden kann, wenn man möchte.

Da es sich um ein Drama handelt, kann man natürlich nicht erwarten, dass Ken Park eine 5.1-Anlage exsessiv ausnutzt. Der Ton ist naturgemäß durch die vielen Dialoge sehr centerlastig. Während manche Sätze im englischen Originalton nicht immer gut verständlich sind, was aber auch daran liegt wie die Dialoge aufgenommen wurden, kann die deutsche Synchro eine bessere Sprachverständlichkeit bieten. Allerdings klingen die Dialoge dadurch nicht immer sehr natürlich in Verbindung mit der Umgebung. Die Stereofront wird hin und wieder genutzt, die Rears eigentlich fast nur für die Musik, wenn überhaupt. Rein qualitativ betrachtet, sind aber keinerlei Auffälligkeiten zu vermelden.

Ken Park - ScreenshotKen Park - Screenshot

Die Extras auf der "Ken Park" Kauf-DVD bestehen fast nur aus Interviews. Es gibt jeweils zwei von Larry Clark, Ed Lachman und Tiffany Limos, zusammen ergeben sie eine Laufzeit von knapp 42 Minuten. Alle Interviews sind in Englisch, aber es gibt zum besseren Verständnis auch optionale deutsche Untertitel. Hier erfährt man unter anderem von den Ideen und der Entwicklung des Drehbuchs, wie die jugendlichen Schauspieler zu dem Film kamen und auch ein wenig über die Vergangenheit der drei Personen. Ansonsten gibt es nur noch den Trailer zu "Ken Park" und zu "Irreversible" und "Menschenfeind", zwei weiteren Titeln aus der Legend-Reihe "KinoKontrovers". Letztere sind durch den Authoring-Fehler so nicht im Menü aufrufbar, was aber auch durch den Umtausch korrigiert werden soll. Im 24-seitigen Booklet gibt es außerdem ein ausführliches und wirklich gut geschriebenes Essay von Sascha Westphal über den Film und Regisseur Larry Clark.

Autor: Carsten Henkelmann
Film online seit: 28.02.2005
Letzte Textänderung: 08.08.2006

Leser-Kommentare

02.09.2005, 11:37:39 Evil Wraith

Also, hier ärgere ich mich ein Wenig. Ken Park ist zwar technisch und schauspielerisch hervorragend inszeniert, aber von dem "Meisterwerk", von dem die Kritiker sprachen, hab' ich nicht viel gespürt. Mich ärgert es sehr, dass ein Film nur wegen einem verschachtelten Handlungsablauf gleich als Blockbuster gehandelt wird, während 'simpler' aufgebaute Filme des gleichen Millieus, z.B. die Noé-Filme oder Klassiker, wie A Clockwork Orange, erst einmal verrissen werden. Ich habe mir vorgenommen, die KINO-KONTROVERS-Reihe zu sammeln, aber diesen Film habe ich nur der Vollständigkeit halber gekauft - ansehen werde ich ihn wahrscheinlich nicht so oft...

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