(Ein Review von Carsten Henkelmann)
Nachdem Donnie Darko weltweit auf DVD erschienen war, entwickelte er ein erstaunliches Eigenleben. In den Staaten war er in den Kinos ein Flop und in vielen anderen Ländern erschien er gleich direkt auf DVD und wurde gar nicht erst in den Kinos ausgewertet, so z.B. auch in Deutschland. Mit der Zeit und unterstützt durch unzählige euphorische Reviews und Empfehlungen wurde der Film aber auf DVD ein enormer Erfolg. Daher bekam Richard Kelly von New Market die Chance angeboten, einen Director's Cut zu erstellen, was er natürlich dankend annahm. Schließlich musste er damals auf einige Szenen verzichten und aus finanziellen Gründen wurden auch nicht alle Rechte für die Popsongs eingekauft, die er gerne integrieren wollte. Im Director's Cut konnte er nicht nur einige der vorher entfernten Szenen wieder einfügen, sondern überarbeitete dabei auch gleich den Soundtrack und die Soundeffekte.
Für diejenigen, die sich dem Director's Cut zunächst ohne weitere Informationen widmen möchten, bringe ich das generelle Fazit einmal kurz vorweg, bevor ich im Detail auf die vielen Veränderungen eingehe. Die Handlung ist DC etwas schlüssiger ausgefallen und Richard Kellys ursprüngliche Idee hinter dem ganzen wird jetzt sehr viel deutlicher. Dadurch bietet der Film aber auch einige Interpretationsmöglichkeiten weniger, was ja gerade den Reiz der Kinoversion ausmachte. Aber mit einer leichtverdaulichen Story bekommt man es dennoch immer noch nicht zu tun, der Film verfügt immer noch über genügend Szenen, die ihn deutlich von handelsüblicher Mainstream-Ware unterscheiden. Insgesamt ist der Director's ganze 19 Minuten länger als die Kinoversion, die Unterschiede sind also nicht trivial.
Achtung: dies Review wird sich ab jetzt sehr speziell auf den Director's Cut von Donnie Darko konzentrieren. Die Abschnitte sind allerdings nicht mit Spoiler-Links geschützt, da es keine gravierenden Überraschungen oder Wendungen gegenüber der Kinofassung gibt, sondern es handelt sich wirklich nur um Ergänzungen und Verfeinerungen. Leider wird aber vorausgesetzt, dass die alte Fassung bekannt ist. Wer den Film noch gar nicht kennt bzw. sich zunächst nur allgemein über den Film informieren möchte, der sollte sich das Review über die alte Kinofassung durchlesen. Okay, here we go...
Richard Kelly beließ es nicht nur dabei, einige der von der Kinoversion bekannten Deleted Scenes wieder in den Film zu integrieren, sondern überarbeitete den Film auch im Schnitt und in einigen Schlüsselelementen. Folgendes sind die wohl markantesten Veränderungen:
Es wurden nicht nur ganze Sequenzen wieder integriert, sondern manchmal auch ganz kleine, nur wenige Sekunden lange Einstellungen, die auch vorher durch die Deleted Scenes nicht bekannt waren. Außerdem wurde an einigen Stellen auch der Soundtrack verändert, z.B. hört man plötzlich aus einem Radio Musik, wo es in der Kinofassung ruhig war. Da nicht auf jedes einzelnes Frame und jeden kleinen Soundeffekt eingegangen werden kann, folgt hier nur eine Auflistung der markanteren Änderungen, ohne Berücksichtigung der Szenen die bereits im Abschnitt zuvor besprochen wurden. Bei den kursiven Passagen handelt es sich um Szenen, die bereits durch die "Deleted Scenes" der Kinofassung-DVDs bekannt sind.
Hat sich der Film nun durch die Überarbeitung zum Guten oder Schlechten verändert? Schwierig zu sagen. Jeder Fassung hat ihre eigenen Reize, einen eindeutigen Vorteil oder Nachteil hat keine Version gegenüber der anderen. Richard Kelly bevorzugt auch keine der beiden Fassungen, er sieht sie beide als ebenbürtig an und ist gleichermaßen stolz auf sie. Die Kinofassung ist die Version, die man sich nach wie vor als Einstieg zum ersten Mal ansehen sollte, denn hier gilt ja gerade der Spaß am Interpretieren und Deuten. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, wie man die Geschichte um Donnie Darko verstehen kann und eben diese Vieldeutigkeit machte den Film zu einem Kulthit.
Der Director's Cut wirkt insgesamt natürlich sehr viel stimmiger. Kleinere neue Szenen unterstützen das Verständnis und die Charaktertiefe. Außerdem wirkt durch die neue Soundkulisse alles zusammengehöriger und besser aufeinander abgestimmt. Durch die Einblendung der Kapitel und bestimmter Zeilen aus Roberta Sparrows "Philosophy of Time Travel" wird die Geschichte dem Zuschauer sehr viel klarer und besser verständlich gemacht. Die ganzen Zusammenhänge mit dem "Tangent Universe" den "Manipulated Living/Dead" und den Elementen Metall und Wasser wird dem aufmerksamen Zuschauer hier sehr viel klarer. Mit der Kinoversion musste man schon mittels des Audiokommentars und der Webseite zum Film die von Richard Kelly eigentlich angestrebte Intention herausfinden. Dadurch kann man, was die Handlung angeht, den Director's Cut sicherlich als die perfektere von beiden Fassungen ansehen, auf der anderen Seite wird dem Zuschauer aber auch viel Arbeit abgenommen. Die vielschichtig intepretierbaren Geschichte hat jetzt eine eindeutige Science Fiction Schlagseite bekommen.
Gerüchteweise soll Donnie Darko in Amerika in Form seines Director's Cuts wieder in die Kino gebracht werden, nachdem die alte Fassung ja leider ein Flop war.
Diesmal ist es Großbritiannien, die als erste in den Genuss des Director's Cut kommen. Das ist aber auch nicht weiter verwunderlich, da der Film dort eine enorm große Fanbasis besitzt und wo vor einiger Zeit sogar ein Graffiti-Wettbewerb durchgeführt wurde, in dem Künstler Motive aus dem Film sprayen sollten. Die Werke sind manchen bestimmt aus dem Bonusmaterial der englischen oder deutschen DVD bekannt. Die DVD des Director's Cut von Metrodome präsentiert sich als Doppel-DVD in einem Pappschuber, den ein 3D-Holo-Cover ziert. Das Bild der DVD ist so gut wie es das Ausgangsmaterial zulassen kann. Im Review der Kinofassung wurde ja schon darauf eingegangen, dass der Film auf einem bestimmten Filmmaterial gedreht wurde, wodurch dieser leicht silbrige Look zustanden kam, was aber die Arbeit fürs DVD-Authoring erschwert. Einen entscheidende Verbesserung gegenüber den bisherigen DVDs der Kinofassung ist nicht festzustellen, es macht hier nur den den Anschein als sei Bild insgesamt einen Tick schärfer.
Deutliche Unterschiede sind aber beim Sound zu hören. Der Ton ist hier einmal in Dolby Digital 5.1 und in DTS vorhanden. Verglichen mit dem 5.1-Track der alten US-DVD ist der DTS-Track deutlich druckvoller und intensiver. Die Surround-Boxen werden sehr gut genutzt und recht gespenstisch klingt es, wenn Frank von allen vier Seiten zu hören ist. Lediglich das Menü der ersten Disk ist etwas gewöhnungsbedürftig, da man quasi sofort in der Kapitelauswahl ist, durch die man sich nach links und recht bewegen kann. Erst wenn man die Tasten nach unten oder oben drückt gelangt man in die Menüs zur Auswahl der Tonspuren oder Untertitel.
Für den Director's Cut nahm Richard Kelly auch einen ganz neuen Audiokommentar auf, bei dem ihm sogar sein Freund und Regisseur-Kollege Kevin Smith (Clerks, Chasing Amy, Dogma) Gesellschaft leistet. Natürlich geht Kelly auf die signifikanten Änderungen im Ablauf der Handlung und im Soundtrack ein und gibt einige Erklärungen dazu ab. Daneben entwickelt sich aber auch phasenweise ein interessantes Gespräch zwischen zwei begabten Independent-Regisseuren, die ähnliche Erfahrungen im Filmgeschäft gemacht haben und einiges aus dem Nähkästchen auszuplaudern haben. Die Anwesenheit von Kevin Smith hat manchmal aber auch einen faden Beigeschmack. An manchen Stellen hat man das Gefühl, dass Kelly genauer auf einzelne Änderungen im DC eingehen möchte, nur redet ihm dann Smith mit einem anderen Thema dazwischen und so driftet das Gespräch immer wieder vom Film ab. Der Audiokommentar ist sicherlich nicht schlecht, man hätte sich nur gewünscht, dass Kelly etwas detaillierter und ausführlicher auf die Änderungen und einzelne Details eingehen würde.
Die weiteren Extras sind alle auf DVD #2 verteilt. Dabei wurde zum größten Teil aber Bonusmaterial wiederverwendet, dass bereits von den vorherigen DVDs der Kinoversion bekannt ist. Der Einfachheit halber werden die jetzt nur schnell aufgezählt, bevor dann auf die ganz neuen Features eingegangen wird. Also, übernommen wurde "They made me do it", die Aufnahmen von der Arbeit der Spraykünstler in England, sowie die dazugehörige "They made me do it Gallery". Ebenfalls enthalten sind die Deleted Scenes mit Audiokommentar, die Interviews mit Cast & Crew, die "B-Roll" Aufnahmen, das "Mad World" Musikvideo, die "Cunning Visions" Infomercials sowie diverse Trailer, TV Spots und Filmographien.
Ganz neu ist die von Metrodome erstellte halbstündige Dokumentation "They made me do it too", die sich mit dem Kult um den Film in Großbritannien befasst. Hier kommen sowohl Fans als auch Filmkritiker und Experten zu Wort, die aus ihrer Sicht erzählen, was das besondere an diesem Film ist. Als besonderer Gag ist ihr Gesprächspartner jemand im "Frank"-Kostüm. Ebenfalls neu ist das "Donnie Darko Production Diary", das zudem noch mit einem Audiokommentar von Kameramann Steven Poster ausgestattet ist. Diese Dokumentation zeigt zuerst, wie das Drehteam die einzelnen Drehorte besucht und dann schließlich einige Aufnahmen von den Dreharbeiten. Die Aufnahmen sind allerdings so alle unkommentiert und somit ein wenig trocken und langweilig. Erst mit dem zugeschalteten Audiokommentar von Steven Poster wird es ein wenig interessanter. Hier erzählt er davon, was Richard Kelly sich von ihm wünschte, mit welchen Problemen sie beim Dreh zu kämpfen hatten (wie z.B. das Drehen von Nachtszenen im Sommer, die eigentlich im Oktober spielen), wie und warum er bestimmte Szenen inszenierte und gibt dabei sogar noch einige selbstironische Sprüche gegen sich selber ab.
Die Erstauflage dieses Doppel-DVD-Sets wurde zudem in einem Pappschuber verpackt, der ein nettes 3D-Holo-Cover bietet. In dem dünnen Booklet gibt es außerdem noch einige Worte von Richard Kelly zu dem Director's Cut.
Ganz im Stile der Special Edition Tin-Box zur Kinofassung präsentiert McOne auch die neue Version von Donnie Darko. Die Verpackung besteht auch hier aus einer metallenen Blechbox, die prinzipiell genauso wie die andere Box gestaltet wurde, sich aber optisch durch ein paar Wolken und einer dunkleren Darstellung des Hasenkopfes doch deutlich von der alten Box unterscheidet. Auch die DVD in der Box hat ein anderes Cover, das an das der britischen DVD angelehnt ist. Bei den Menüs hat man es sich allerdings einfach gemacht und kurzerhand die von der Special Edition der Kinofassung übernommen. Das Authoring wurde hier allerdings nicht von Unexpected, sondern von Sony durchgeführt. Beim Bild gibt es keine großen Unterschiede, weder zur britischen DVD des Director's Cut noch zur deutschen DVD der Kinofassung und ist somit auch hier vollkommen zufriedenstellend.
Nur beim Ton gibt es natürlich andere Optionen als bei der britischen Fassung. Der englische DTS-Track ist zugunsten zweier deutscher Tonspuren in Dolby Digital 5.1 und DTS gewichen, die deutschen Tonspuren in Headphone Surround der Kinofassung wurden hier ebenfalls weggelassen. Die neu hinzugekommenen Szenen wurden mit den gleichen Sprechern nachsynchronisiert und fügen sich somit akkustisch nahtlos zu den alten Szenen hinzu. Aber: die Änderungen in Franks Stimme im englischen Ton wurden NICHT in den deutschen Ton übernommen. Das heißt, dass hier Franks Stimme immer noch so klingt wie in der Kinofassung, während in der englischen Fassung eine deutliche Veränderung in der Stimme zu hören ist. An Untertiteloptionen gibt es eine deutsche und englische Untertitelspur sowie auch eine weitere deutsche Spur für Hörgeschädigte.
Nun zu den Extras, die zum Teil schon von der Kinofassungs-DVD bekannt sind, aber es gibt auch ein paar andere Extras die man evtl. von der britischen DVD des Director's Cut kennt. Von der Kinofassung wurden die Biographien, die Interviews, die "Cunning Visions" + Audiokommentar, der Abdruck von "The Philosophy of Time Travel", die "They made me do it" Featurette und Galerie, der Soundtrack und die Infos über Graham Greenes "The Destructors", über den Delorean und die Theorien von Stephen W. Hawking wiederverwendet. Von der britischen DVD konnte der Audiokommentar von Richard Kelly und Kevin Smith übernommen werden, für den es auch deutsche Untertitel gibt, sowie das "Donnie Darko Production Diary", das hier als "Making-of" betitelt wurde. Fälschlicherweise wird aber der dazugehörige Audiokommentar im Menü Richard Kelly zugeschrieben, er stammt aber von Kameramann Steven Poster.
Für Besitzer einer DVD des Kinocuts oder der britischen Director's Cut DVD gibt es aber noch etwas neues in Form von vier Storyboard-zu-Film Vergleichen, die zum ersten Mal auf der amerikanischen DVD-Veröffentlichung des Director's Cut auftauchten. Hier sieht man in einem zweigeteilten Bereich, oben Storyboard, unten Film, die Szenen in der Storyboard und Filmversion wie Donnie von seinem "Speer" nach oben geführt wird, zwei Szenen von der Halloween-Party und die Sequenz bei Roberta Sparrows Haus in der Nacht. Neu, aber eher uninteressant ist eine Bildergalerie mit Szenenfotos. Sehr nett hingegen ist die Zugabe des "Mad World" Musikvideos. Aber nicht die Coverversion von Michael Andrews, sondern von dem Originalsong von Tears for Fears! Die Bildqualität ist hierbei nicht die beste, scheinbar diente ein Videotape als Master, aber trotzdem eine erfreuliche Überraschung.
Die "Darkomentary" Featurette, ebenfalls vorher nur auf der US-DVD zu finden, ist allerdings eine ziemlich fragwürdige Produktion, aber auf eine andere Art und Weise schon fast wieder lustig. Im Sommer 2004 initiierte die Webseite DonnieDarko.com einen Wettbewerb, in dem Donnie Darko Fans ihre eigene Dokumentation über den Film und sich selbst drehen sollten und der Beitrag des Gewinners sollte dann auf der DVD veröffentlicht werden, was dann auch geschah. Der Gewinner, ein gewisser Darryl Donaldson (???), wirkt schon auf den ersten Blick wie der größte Nerd aus dem Bilderbuch und scheut sich leider auch nicht davor den Soundtrack von Michael Andrews singend zu begleiten, James Duval auf offener Straße abzupassen, Richard Kelly zuhause anzurufen oder ihn sogar auf einer Con zu küssen! Definitiv ein Kandidat für die Psychiatrie oder für einen Stalker-Prozess vor Gericht...
In dem ansprechend designten Booklet gibt es Liner Notes zum Film, vom gleichen Verfasser des Booklet-Textes zu der Kinofassung ;-), die sich vor allem mit den Änderungen zwischen Kinofassung und Director's Cut beschäftigen. Außerdem noch einen Abdruck des original Songtextes und eine deutsche Übersetzung von "Mad World" und kurze Infos zur "They made me do it" Ausstellung.
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03.03.2006, 22:31:17 mirco ( )
das ist ja unglaublich, wie detailiert das ganze von dir dargestellt und bewertet wurde! bin gerade zum ersten mal auf dieser seite, weil ich gezielt nach einem "donnie darko DC" review gesucht habe und werde jetzt den rest meiner kundenlosen spätschicht damit verbringen, mir weitere reviews durchzulesen. respekt!