(Ein Kurzreview von Carsten Henkelmann)
Die beiden Brüder Grimm (Matt Damon, Heath Ledger) reisen durch das Land und ziehen mit inszenierten Geistervertreibungen den Leuten das Geld aus der Tasche. Als sie gezwungen werden in einem Dorf eine Erklärung für das Verschwinden von mehreren Mädchen zu finden, ahnen sie nicht, dass sie sich diesmal wirklich mit übernatürlichen Kräften zu messen haben...
Also wer die typische Terry Gilliam Verschrobenheit bei diesem Film erwartet, der dürfte wohl nicht wirklich glücklich werden mit diesem Film. Auch erscheint es zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, die Gebrüder Grimm hier als geldgierige Scharlatane zu sehen. Aber letzten Endes hat man es doch mit einem reinen Fantasy-Film zu tun und als solcher funktioniert "Brothers Grimm" durchaus. Teilweise dringt man sogar in Territorien eines Tim Burton vor. Die Inszenierung ist ohne jeglichen Fehl und Tadel, die Sets einfallsreich und liebenvoll gestaltet und es macht irgendwie Spaß in diese Märchenwelt hinabzutauchen und die verschiedenen Zitate der typischen Grimm-Märchen zu entdecken. Das der Film aber trotzdem nicht wirklich lange im Gedächtnis haften bleibt, liegt hauptsächlich an der doch relativ simpel gehaltenen Handlung und manchen nur leicht mißglückten CGI-Effekten. Von der teilweise schlechten Kritik, die dieser Film bekommen hat, sollte man sich also nicht unbedingt abschrecken lassen, ein Meisterwerk sollte man aber auch nicht erwarten.
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15.05.2007, 17:02:15 Dietmar Kesten
BROTHERS GRIMM
ALBERN
von DIETMAR KESTEN, GELSENKIRCHEN, 8. OKTOBER 2005.
Was ist über die Gebrüder GRIMM bekannt? Mit Martin LUTHER (1483 -1501) verschwand zwar in Deutschland der Glaube an katholische, nicht aber an teuflische Wunder, deren schauderhaftes Treiben er ausmalen konnte, wie kein zweiter. Seine Tischreden waren voll von Satanskünsten, von Kobolden und Hexen, die auch sonst im Volk ihr Unwesen trieben. Die Vorstellung des Bösen in Gestalt von blutiger und düsterer Dämonen hielt sich als lange als deutsches Kulturgut, woran der Reformator einen wohn nicht unerheblichen Anteil hatte. Zwar schrieb Heinrich HEINE einst, dass „Luther der Vernunft und dem freien Denken den Weg geebnet“ habe, doch die Elementargeister, die auf einem Besen sitzend nach dem Brocken reiteten, waren in der Literatur eine feste Größe, auf die sich augenscheinlich auch Jakob (1785 -1863) und Wilhelm (1786 –1859) GRIMM beriefen.
Sie sammelten Geschichten, die sich gehalten hatten und im Volk umgingen. Und auch den Kindern der aufgeklärtesten Eltern noch schlaflose Nächte (ein-)brachten. „Rumpelstilzchen“ packte seinen linken Fuß und „riss sich selbst inmitten entzwei“. Die böse Hexe wollte „Hänsel“ „in Scheiben“ schneiden und dann in die Suppe tun, während sie „Gretel“ als Beilage zu „verbraten“ gedachte. Junge Männer, die im Märchen etwas von „Dornröschen“ wollten, mussten in der Dornenhecke einen „qualvollen Tod“ sterben. Die „sieben jungen Geißlein“ stöberte der Wolf auf und verschlang sie mit „Haut und Haaren“. In „Frau Holle“ stand das hässliche und faule Mädchen eines Tages pechüberströmt vor der Haustür. Als die Schuhe zu drücken begannen, bekam „Aschenputtel“ von der Stiefmutter den Rat, „die Zehe abzuschneiden“. In „Brüderchen und Schwesterchen“ wurden die Kinder verwünscht.
Und in „Schneewittchen“ wurde ihr „das Herz durchbohrt“, bis alles in Scherben in sich zusammenfiel.
Die Märchen der Gebrüder haben es in sich. Es gibt vielleicht 50, die mit rigiden Moralvorstellungen durchzogen sind, oft eine Doppelmoral als Quintessenz haben, voller Entsagungen sind und das Funktionieren des Menschen infolge von Ge- und Verboten zum Inhalt haben. Die Gebrüder GRIMM beschrieben in ihren Märchen ein Dauerschuldgefühl. Man sollte sich bereit halten zur Unterwerfung, auf Charakter, Sitten und Neigungen achten und eigene Interessen zurückstellen. Im Märchen vollendete sich der Gedanke von Blitz und Donner auf ganz eigentümliche Weise: im Reich der Erscheinungen, der Phantasie und dem Luftreich dieser Träume konnte bestens die Ausprägung des bürgerlichen Geistes, provinzielle Borniertheit, nationaler Hochmut und Überlegenheit an Einfluss gewinnen. Die Gebrüder GRIMM standen für Ängste, Armut, Magie, Dummheit und Unfruchtbarkeit. Ihre Märchen, mit Macht ausgestattet, hatten im Überbau einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die kulturelle und kulturpolitische Entwicklung des damaligen Deutschland.
Wie man zu den Märchen der Gebrüder GRIMM Distanz halten sollte, so sollte auch die Distanz dem Film „Brothers Grimm“ (Regie: Terry GILLIAM) gelten. Die GRIMMs, die zwar auch die erste Deutsche Grammatik nebst Wörterbuch erstellten, werden jetzt als neue deutsche Romantiker wiederentdeckt. Gemeinsam ziehen beide Träumer (Matt DAMON und Heath LEDGER) durchs Land und verdienen sich ihren Lebensunterhalt mit viel Showeffekte, um angebliche Spukhäuser von Geistern und Hexen zu befreien. Die französischen Besatzer kommen den beiden auf die Schliche und verfolgen sie nun. In einem nahegelegenen Wald in Marbaden scheint es tatsächlich einen Spuk zu geben. Und die beiden Brüder kommen der Sache auf die Spur.
Der Filmpark in irgendeinem Movie - World wird nun angeworfen. Alles ist zu sehen, was sich dort an Spezialeffekten und Gruselschocks herauskitzeln lässt. Es fehlt nur noch der obligatorische Popcornbecher, den die beiden genüsslich verspeisen könnten, wenn da nicht der Spuk wäre, der einem jedes materielle Ding aus den Händen schlägt. Der Film ist chaotisch und albern. Mit seinen dummen Dialogen und den erzwungenen Slapsticks, Klamauk und wenig Durchblick, bleibt diese unausgegorene Geschichte in den nervigen Bilderfolgen äußerst blass und blutarm. Diese Mittelmäßigkeit bekommt neben dem schlechten Drehbuch aus Matt DAMON nicht in den Griff. Die Geisterjäger hinterlassen den Eindruck von schmerzhaften Fanatiker, die sich in Bockgesängen üben, wenn es um die Ausübung ihrer Pflichten geht. „Brothers Grimm“ dümpelt vor sich hin. Das deutsche Nationalheiligtum in Sachen Märchen kann getrost mit diesem Film endgültig vom Sockel gestoßen werden.
Fazit:
Was man manchmal im Kino vorgesetzt bekommt, ist fürchterlich. Man sollte den Film so schnell wie möglich vergessen. Doch etwas positives hat er dann doch: er rührt dazu an, sich mit den beiden Brüdern näher zu beschäftigen.